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Kinderdämmerung. Ralph Roger Glöckler

 

Gedichte des Schriftstellers und Lyrikers Ralph Roger Glöckler aus 50 Jahren sind in diesem fabelhaften poetischen Kompendium beisammengerückt. Darunter Frühes aus den späten 60er Jahren, Undatiertes und Spätes. Auffällig ist der Esprit des Farbenreichtums in dem glänzenden Gewebe einer klaren Sprache, die alle Epochen des Schaffens betrifft: „unsere galeeren treiben / auf allen straßen hin / im namen der nacht / tragen des eismonds sichel / auf grünem banner“. 

Für den Schriftsteller Glöckler fungieren diese Gedichte als Urmutter quasi seines Erzählens überhaupt: „Denn Gedichte schreiben ist ein Weg, eine Form zu finden, sich selbst zum Schriftsteller zu machen. Wenn ich gefunden habe, wie ich rede, weiß ich erst, was ich zu sagen habe.“ 

Vielleicht deshalb sind Glöcklers Gedichte wie schöne Gewitter, die sich in den Lesenden entladen, wie die dem Titelgedicht entnommenen Verse: „an meinen kinderhimmel / nagle ich angstverhaue / hefte betonräume dran / und eiserne fliegen //“.

Dann wieder die Stadt, in ihren Alltagsflammen. Immer wieder ist sie schönes, solides Thema mit einem Relief, das an eine Meeresbrandung erinnert. Viele der Texte ufern in einen pointierten Schluss, an dem man überlegt zu lachen und sie sind von oszillierendem Wesen, das bei der Lesestange hält. Man mag nicht absetzen, aufhören. Die Sogkraft dieser Poesie hindert. Ein warmer, weicher und bodennaher Rhythmus dominiert. Er traut zu, gönnt Essenzen, sorgt, wenn auch verhalten, für Übersichtlichkeit. Wie jene dem Band „Das Gesicht ablegen“ entnommenen Texte, die bereits 2001 erschienen sind.

Glöcklers Gedichte suchen die tieferen Gründe zu zeichnen, ufern in schillernden Visionen, die überaus ansprechend sind. Vereinzelt werden dazu auch kirchenlateinische Überschriften gewählt, wie etwas „liturgia“, und „missa“, die dann außerhalb der Kirche angewandt werden, in Natur und Natürlichkeit fußen. Daraus ergeben sich interessante Spannungsbögen: „wozu das herz der dinge zerfragen / antworten fordern führt zu keinem ergebnis / dass dieser baum ist /                         dass ich ihn taste atme seine wurzeln fühle /“.

 

Die Vergänglichkeit, Gott und der Tod fungieren als Parameter in und an denen sich das lyrische Ich immer wieder findet und dies im freien, herrlichen Fall: „ fühle ich / tödlich getroffen / mein / kühles verlöschen“. Oder „auf offener see / im heftigen atem der woge / einer möwe flug und schrei / als wäre ein weihrauch / gelöst in der luft / von rosen und küsten //“.

Auch Pathos kommt vor, hier und da, darf sein, in diesen an der Wahrhaftigkeit züngelnden Texten. 

Die Verse trägt eine tiefe Leidenschaft zur Poesie und sie sind von unglaublicher Qualität: „lies doch die schrift dort oben / flüchtige vögel über dem haus / sind es nicht linien der hand / hoch gegen die ferne geschrieben“.

 

Dann sind da auch Texte, die an Georg Trakl erinnern, in ihrer Hommage an das Dunkel und die Vergänglichkeit, wie etwa in dem Gedicht „bäume“: „zerbrechen ist im herben glas des nachmittags / von braunem laub und durch den dunst / webt sich das dunkle in die äste//“. Dennoch, es gibt nicht nur einen entscheidenden Unterschied zu dem Salzburger. Bei Glöckler bleiben die Farben am Ende übermächtig. Immer wieder fließen sie in das Dunkel, weihen es., machen es überlebenswert: „seh ich an dunkles wasser geneigt / mein gesicht mohn blumen bestreut // . 

Von besonders nachhaltigem Eindruck sind die Gedichte aus reiferen Tagen. „Die Kantate des Nichts. Für Chor und Solisten“ - sie liest sich wie ein Langgedicht- und „Fragmente. Biblische Gesänge“ - psalmenartig möchte man meinen. Sie sind einander Widerpart, naturgemäß. Sie sind lyrische Ausformungen der Möglichkeiten.

 

Die Welt ist weit. Die Welt ist nah, in den Texten von Glöckler. Seine Verse sind wie das Gelingen von Schattierungen in einem sonnenbeschienen Ährenfeld, eine Nuance breit unter der Transzendenz.

 

Herrliche Grafiken von Géza Spiegel ergänzen den Blick auf das Genre Leben. Nicht unerwähnt bleiben sollte auch die wunderbare Partitur von John Sheridan, der Glöckler den Text gegeben hat. Und natürlich das kenntnisreiche und überaus lesenswerte Nachwort von Sven Limbeck.

 

 

 

 

 

Kinderdämmerung. Ralph Roger Glöckler, Elfenbein Verlag, Berlin 2023

 

 

 

 

 

 

 

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